The Art of Arriving
The Art of Arriving
Migration und Integration sind nicht nur Gegenstand der soziologischen Forschung, sondern auch ein zentrales Thema künstlerischer Praxis, die oft etablierte Perspektiven auf (erzwungene) Migration herausfordert, neue Formen der Repräsentation jenseits ethnischer Zuschreibung entwirft oder Bilder alternativer sozialer Wirklichkeiten (und Utopien) bereitstellt. Das zentrale Ziel des transdisziplinären Forschungsprojekts „Die Kunst des Ankommens/The Art of Arriving – Reframing ‚Refugee Integration‘“ bestand darin, das transformative Potenzial der Kunst für die Soziologie der Migration und Integration auszuloten. Dies wurde durch die Einrichtung eines Real-World-Laboratoriums erreicht, in dem Künstler:innen bei der Kreation von Kunstwerken und Rezipient:innen bei der Interpretation dieser Kunstwerke soziologisch begleitet wurden. Ziel war es, einen Raum zu schaffen, in dem Wissenschaftler:innen und Nicht-Wissenschaftler:innen miteinander forschen, experimentieren und voneinander lernen konnten.
In einem ersten Schritt wurden Kulturschaffende aus den Bereichen Musik, Literatur und Fotografie eingeladen, ihre Erfahrungen und ihre Wahrnehmung des Ankommens – verstanden als länger andauernder Prozess – in ästhetische Ausdrucksweisen zu übersetzen. Die Teams bestanden aus Künstler:innen mit unmittelbarer Fluchterfahrung (Syrien), Künstler:innen mit schon länger zurückliegender Fluchterfahrung (Ex-Jugoslawien) sowie Künstler:innen ohne Fluchterfahrung. Das Forschungsteam hat diese Künstler:innenteams begleitet und das gemeinsame Arbeiten beobachtet und dokumentiert. Die im Zuge des Prozesses entstandenen Kunstwerke (Kompositionen, Fotobroschüren und eine Kurzgeschichte) wurden anschließend im Rahmen von insgesamt 23 Gruppendiskussionen mit Rezipient:innen (einige davon mit und einige ohne Fluchterfahrung) interpretiert. Ein Schwerpunkt richtete sich dabei auf kürzlich Vertriebene aus der Ukraine und deren Erfahrungen ihres Ankommens in Österreich. Die Auswertung dieser Interpretationsgespräche erfolgte mittels Methoden rekonstruktiver Sozialforschung.
Das durch die enge Verknüpfung mit künstlerischer Praxis charakterisierte Projektdesign erwies sich in mehrfacher Hinsicht als gewinnbringend und führte zu äußerst aufschlussreichen Forschungsergebnissen. Die künstlerische Perspektive war entscheidend, um den soziologischen Blick auf Phänomene des Ankommens zu erweitern und Aspekte zu beleuchten, die durch eine rein soziologische Methodologie möglicherweise unberücksichtigt geblieben wären. Gleichzeitig begünstigte die Einbindung der Kunst Prozesse der Dezentrierung, dazu zählt auch die Distanzierung von der eigenen (soziologischen) Perspektive, die dann selbst reflexiv in den Blick genommen werden kann. Darüber hinaus zeigte sich, dass der Einsatz der im Projekt entstandenen Kunstwerke in Gruppendiskussionen insbesondere Menschen mit Fluchterfahrung dazu befähigte, wesentlich intensiver über ihre eigenen Erlebnisse zu sprechen. Die Projektergebnisse tragen dazu bei, neue Perspektiven auf Fluchtmigration und Integration auch jenseits etablierter Zugänge zu entwickeln und ergänzen methodologische Überlegungen zur Umsetzung von Reflexivität in der aktuellen Migrationsforschung.